DS2011 - 1.0.2

Datenspuren 2011
Cloudy — mit Aussicht auf Datenspuren

Referenten
Mark Neis
Programm
Tag Sonntag - 2011-10-16
Raum Großer Saal
Beginn 11:15
Dauer 01:00
Info
ID 4580
Veranstaltungstyp Vortrag
Track Gesellschaft u. Politik
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Nackte Tatsachen

Warum jeder etwas zu verbergen hat

Viele Menschen begegnen Datenschutzbedenken mit dem Satz "Ich habe nichts zu verbergen". Dass das für den Einzelnen wie für die Gesellschaft insgesamt bedenkliche Konsequenzen haben kann und worin diese bestehen können, ist Thema dieses Vortrages.

"Sie verstehen wohl, daß es sich um eine wichtige Erfindung handelt. In Zukunft wird kein Verbrecher die Wahrheit ableugnen können. Sogar unsere innersten Gedanken sind nicht unser Eigentum, wie wir so lange zu Unrecht geglaubt haben."

"Zu Unrecht?"

"Ja gewiß, zu Unrecht. Aus Gedanken und Gefühlen werden Worte und Handlungen geboren. Wie ist es dann möglich, daß Gedanken und Gefühle Privateigentum des einzelnen sein könnten? Gehört nicht der ganze Mitsoldat dem Staat? Wem sollten denn seine Gedanken und Gefühle gehören, wenn nicht dem Staat? Bis heute bestand nur keine Möglichkeit sie zu kontrollieren – jetzt aber ist das Mittel erfunden."

Sie warf mir einen kurzen Blick zu, doch senkte sie die Augen sofort wieder. Sie verzog keine Miene, aber ich hatte den Eindruck, daß sie erblaßte.

"Sie brauchen nichts zu befürchten, Mitsoldat", ermunterte ich sie, "es besteht nicht die Absicht, all die kleinen Liebegeschichten oder Antipathien jedes einzelnen aufzudecken. Wenn meine Erfindung in private Hände fallen würde – ja, dann könnte man sich leicht vorstellen, was für ein Chaos daraus entstehen würde! Aber das darf natürlich nicht geschehen. Das Mittel soll unserer Sicherheit dienen, unser aller Sicherheit, der des Staates."

"Mir ist nicht bange, ich habe nichts zu verbergen", antwortete sie ziemlich kühl, obwohl es doch nur freundlich gemeint war.

(aus: "Kallocain" von Karin Boye)