DS2009 - PREVIEW

Datenspuren 2009
Hands off - Privacy on

Referenten
Peer Stolle
Programm
Tag Samstag - 2009-10-03
Raum Großer Saal
Beginn 18:00
Dauer 01:00
Info
ID 3437
Veranstaltungstyp Vortrag
Track Gesellschaft
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Sicherheit durch Verunsicherung

Zu den aktuellen Bedingungen der Politik der Inneren Sicherheit

Wenn von gewandelten Sicherheitsbedürfnissen und der Notwendigkeit neuer Sicherheitsstrategien die Rede ist, werden diese zumeist mit einer veränderten Sicherheitslage begründet. Der Internationale Terrorismus, die zunehmende Jugendkriminalität oder das grenzüberschreitende Agieren von kriminellen Organisationen würden die Bevölkerung verunsichern und neue Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden darstellen. Dem könne nur durch die Entwicklung einer neuen Sicherheitsarchitektur und einem Einsatz moderner und immer weiter reichender Maßnahmen der Kriminalitätskontrolle und Gefahrenabwehr begegnet werden.

Bei dieser Diskussion geraten drei Aspekte oft in den Hintergrund. Erstens sind die behaupteten Kriminalitätssteigerungen weder empirisch nachweisbar, noch plausibel erklärbar. Sie können daher nicht für eine rationale Begründung einer Ausweitung staatlicher Kontroll- und Überwachungsbefugnisse herangezogen werden. Zweitens wird übersehen, dass die derzeitige Verunsicherung in der Bevölkerung viel mit den tief greifenden sozialen und ökonomischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu tun hat. Die Flexibilisierung sämtlicher Bereiche des Lebens und die zunehmende Prekarisierung von Arbeitsbeziehungen haben für einen nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung eine soziale und ökonomische Situation zur Folge, die für sie keine Aussicht mehr auf gesellschaftliche Teilhabe bietet oder ihnen zumindest diesen Eindruck vermittelt. Parallel dazu ist ein gesellschaftlicher Diskurs hegemonial geworden, der das Bild einer ständigen Bedrohung der persönlichen Sicherheit der Bürger und der gesellschaftlichen Ordnung im Ganzen konstruiert. Im Mittelpunkt dieser veränderten Wahrnehmung steht das Bild des „gefährlichen Anderen“, vor dem sich die Bevölkerung schützen muss. Drittens wird zumeist verschwiegen, dass sich Sicherheit nicht auf die – nicht zu erreichende – Abwesenheit von Kriminalität und von störenden Verhaltensweisen reduzieren lässt. Sie umfasst vielmehr auch und gerade den Schutz vor einem übermächtigen, unkontrollierbaren Staatsapparat, der jederzeit und ohne wirksame Fesseln in die Rechte der Bürger/innen eingreifen kann.

Die gegenwärtigen Veränderungen in der Politik der Inneren Sicherheit lassen sich daher nicht vorrangig mit einer veränderten Bedrohungslage erklären. Vielmehr haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen für diese Politik selbst geändert. In dem Vortrag soll dieser Zusammenhang aufgezeigt sowie dargestellt werden, dass diese Entwicklung nicht zu mehr Sicherheit, sondern im Gegenteil zu einer Steigerung gefühlter Verunsicherung wie auch tatsächlicher Bedrohung führt.